Bayerische Staatsbibliothek


Die Bayerische Staatsbibliothek (BSB) sucht in ihren Beständen seit 2003 aktiv nach NS-Raubgut. Die damals im Rahmen einer ersten Arbeitsgruppe geleistete Arbeit, die von Ehrenamtlichen unterstützt wurde, lieferte die Grundlage für die nachfolgenden Projekte und führte bereits zu ersten Restitutionen.

Forschung 

Von Juni 2013 bis Mai 2016 ermöglichte die Förderung des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste ein Projekt zur systematischen Recherche nach geraubtem Buchbesitz. Der Schwerpunkt lag auf den Zugängen der BSB zwischen 1933 und 1945. Die geraubten Bücher gelangten während der nationalsozialistischen Diktatur sowohl durch vermeintlich reguläre Erwerbungen wie auch durch Überweisung zuvor beschlagnahmter Bestände in den Besitz der Bibliothek. Im Projektzeitraum konnten ca. 1.000 Titel innerhalb der 65.000 Zugänge der NS-Zeit eindeutig als NS-Raubgut identifiziert werden.

In einem dreijährigen Nachfolgeprojekt, ebenfalls gefördert vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste, prüfte die BSB von August 2016 bis Juli 2019 verdächtige Erwerbungen nach 1945. Die BSB hatte in der Nachkriegszeit mehrere Bibliotheken ehemaliger NS-Institutionen übernommen, darunter allein 36.000 Titel aus der früheren »NS-Ordensburg Sonthofen« im Allgäu. Das Projektteam sichtete mit Hilfe von Zugangslisten zahlreiche Werke, die aus diesen Beständen eingearbeitet worden waren.

neues forschungsprojekt

Im Mai 2020 hat an der BSB ein neues zweijähriges Projekt zur systematischen Durchsicht der Handschriften und Musikalien mit der Arbeit begonnen. Auch dieses Projekt wird vom Zentrum Kulturgutverluste gefördert, dazu vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst. Außerdem bringt die BSB Eigenmittel ein. Bei den Handschriften wird der Fokus auf die beiden zentralen Fächer der lateinischen und deutschen Handschriften gelegt. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf den Erwerbungen der NS-Zeit. Nicht nur durch die Prüfung der Repertorien finden sich wichtige weiterführende Informationen zu Provenienzen, sondern auch im Zugangsbuch der Handschriftenabteilung und in den Erwerbungsakten, die heute im Hauptstaatsarchiv liegen.

Der zweite Bereich betrifft die Musikalien. Hier werden die Notendrucke und die Musikhandschriften erstmals einer Prüfung ihrer Herkunft unterzogen. Da hier Neuerwerbungsbücher fehlen, erfolgt der Zugang zu den Musikalien der Zeit von 1933-45 über die Durchsicht der zeitgenössischen Unterlagen der Abteilung, wie etwa Jahresberichte und Personalakten.

 Gleichzeitig soll die Durchsicht von Druckbeständen zum Abschluss gebracht werden, die nach 1945 an die BSB kamen, insbesondere der Abschluss der Sichtung der Bestände aus der Bibliothek der ehemaligen »NS-Ordensburg Sonthofen«. Die Durchsicht dieser Druckschriften, die sich in unterschiedlichsten Fächern befinden, knüpft an die bereits geprüften Bestandslisten an. 

Mit dieser jetzt gestarteten systematischen Prüfung unikaler Objekte hat die BSB mit der Umsetzung eines wichtigen Desiderats begonnen, das in der Bibliothekslandschaft der Bundesrepublik Deutschland Modellcharakter erlangen könnte. Die BSB gehört damit zu den ersten deutschen Bibliotheken, die ihre Sondersammlungen systematisch nach NS-Raubgut durchleuchten.

restitution

Oberstes Ziel der NS-Raubgutforschung an der BSB ist es, geraubte Bücher zu restituieren, bzw. nach den Washingtoner Prinzipien von 1998 eine „faire und gerechte Lösung“ herbeizuführen. Dafür werden laufend Nachkommen und Rechtsnachfolger von Vorbesitzern oder Vorgängereinrichtungen ermittelt.

 Restitutionen erfolgten unter anderem bereits an das Thomas-Mann-Archiv in Zürich, an die Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland sowie an Nachkommen der Familien Caspari und Rosenthal. Herausragend war die im Jahr 2015 erfolgte Rückgabe des sog. Plocker Pontifikale, des ältesten polnischen Pontifikale, an die katholische Kirche in Polen. Ein weiteres wichtiges Zeichen der Wiedergutmachung bildete am 7. April 2016 die Übergabe von 203 Titeln aus der Produktion des Belgrader Verlags Geca Kon an die Serbische Nationalbibliothek.

 Alle verdächtigen Titel ohne konkrete Hinweise zu Vorbesitzern werden laufend im Online-Katalog der BSB und zukünftig auch auf „Lost Art“ dokumentiert. Sofern es rechtlich möglich ist, werden zurückgegebene Werke digitalisiert. Sie bleiben so auch nach einer Rückgabe für Öffentlichkeit und Forschung zugänglich.

 Weitere Informationen zur NS-Raubgutforschung an der BSB sowie zu den einzelnen Restitutionen finden sich auf unserer Homepage: