Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern


Den rund 1.250 nichtstaatlichen Museen Bayerns steht die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen als Beratungseinrichtung des Freistaats zur Seite. Auf dem Gebiet der Provenienzforschung versucht sie, die Museen vor allem zu sensibilisieren und zu betreuen (sie ist den Museen gegenüber nicht weisungsbefugt und kann nur Empfehlungen aussprechen), auch fördert sie konkrete Projekte finanziell. Bereits 2005 hat sie eine Tagung zum Thema durchgeführt und danach allen bayerischen Museen kostenfrei eine Publikation (Kulturgutverluste, Provenienzforschung, Restitution. Sammlungsgut mit belasteter Herkunft in Museen, Bibliotheken und Archiven, München/Berlin 2007) an die Hand gegeben. Regelmäßige Beiträge in der Fachzeitschrift museum heute und weitere Informationen verweisen auf die Bedeutung des Themas. Darüber hinaus bietet die Landesstelle Workshops und Fortbildungen an, um den Museen theoretische wie praktische Fertigkeiten zu vermitteln. Ein 2015 konzipiertes und 2016 begonnenes Projekt zur Ertüchtigung der Museen für eigene Forschungen ermöglicht es nun, zusätzliche praktische Hilfestellungen bei der Provenienzrecherche zu leisten.

Von den nichtstaatlichen Museen in Bayern sind etwa 220 vor allem stadt- und regionalgeschichtliche oder kulturhistorische Häuser vor dem Jahr 1945 gegründet worden. Es ist möglich, dass diese Museen zwischen 1933 und 1945 Objekte für ihre Sammlung erstanden haben, deren Provenienz bedenklich ist. Dazu kommen 26 Kunstmuseen, deren Sammlungen aus dieser Zeit belastete Objekte enthalten können. Dass sich prinzipiell mehr Museen mit dem Thema befassen müssten und der Betrachtungszeitraum prinzipiell für Objekte gilt, die bis 1945 entstanden sind und nach 1933 bis heute erworben wurden, ist der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen gegenwärtig. Um eine möglichst große Breitenwirkung in die Fläche zu erwirken, haben wir uns für dieses erste Projekt zur Begrenzung des Untersuchungszeitraums und der zu untersuchenden Museen entschlossen, um das Projekt handhabbar zu gestalten und bei den durchaus umfangreichen Recherchen auch Erfolge zu erzielen, die die nichtstaatlichen Museen insgesamt ermuntern sollen, Provenienzforschung zu NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut zu betreiben.

Das Projekt greift auf die Forschungsergebnisse des Zentralinstituts für Kunstgeschichte zurück, das die Unterlagen des Auktionshauses Weinmüller systematisch ausgewertet hat. Besonders wichtig waren dabei die annotierten Auktionskataloge. Aus ihnen ergeben sich konkrete Anhaltspunkte für 17 bayerische nichtstaatliche Museen, die Kunden Weinmüllers waren. Vordringliches Ziel ist es, die Erwerbungen dieser Museen zwischen 1933 und 1945 einem Erstcheck zu unterziehen.

Rückseite einer Druckgraphik, ©Deutsches Museum, München, Archiv, BN_72867

Das Pilotprojekt arbeitet auf zwei Ebenen: einmal sind die Projektmitarbeiterinnen vor Ort für die jeweiligen Museen zuständig und unterstützen sie bei der Erschließung der eigenen Geschäftsunterlagen. Sie müssen sich in die spezifische Geschichte des Hauses und seiner Sammlung einarbeiten, in Eingangsbücher und Inventaren recherchieren, um herauszufinden, ob sich Hinweise auf belastete Objekte finden. Dafür kann auch der Besuch von lokalen, Staats- oder Bundesarchiven nötig werden. Es geht vor allem darum, die Erwerbsumstände der spezifischen Sammlungsbestände zwischen 1933 und 1945 dokumentieren zu können. Die Landesstelle möchte in den Museen den Bedarf an weiterführender Provenienzforschung klären und die Häuser in die Lage versetzen, eigenständig tätig zu werden. Sie können dann einen Antrag auf finanzielle Unterstützung bei der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste stellen, falls sich ein Anfangsverdacht bestätigt. Eine finanzielle Förderung durch die Landesstelle ist ebenfalls möglich. Die Förderrichtlinien finden sich auf der Webseite der Landesstelle als pdf.

Seit Februar 2016 haben u.a. folgende Häuser die Beratung der Landesstelle in Anspruch genommen, die mit mehreren Vor-Ort-Terminen der Landesstelle einherging: das Historische Museum Regensburg, das Archiv des Deutschen Museums München, das Deutsche Jagd- und Fischereimuseum München, das Fränkische Museum Feuchtwangen, das Mainfränkische Museum Würzburg, das Gäubodenmuseum Straubing.

Bislang konnten bei zwei nichtstaatlichen Häusern, die Teil des Projekts sind, Ergebnisse erzielt werden. Sie nehmen an einer Einzel- bzw. Sammelrestitution teil. Die übrigen Museen wurden dazu ermuntert, verdächtige Objekte auf die Datenbank Lostart.de einzustellen und eine Finanzierung eigener Projekte bei der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste zu beantragen. Die Landesstelle begleitet die Museen gerne fachlich beratend und auch finanziell auf dem weiteren Weg.

Beschlagnahmt, verkauft, Versteigert - jüdisches kulturgut in den nichtstaatlichen museen in Franken

Das zweite Projekt der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern hat im Februar 2017 begonnen und wird innerhalb von zwei Jahren weitere nichtstaatliche Museumsbestände auf ihre Provenienzen untersuchen. Dabei wählt es eine deduktive Methode und nähert sich der Biographie einzelner Sammlungsstücke vom Archiv aus. So wird vom externen Archivgut auf das Museum als heutigen Besitzer geschlossen. Anders als bei Projekten zu Provenienzforschung zumeist üblich, wird kein zuvor definierter Museums- oder Bibliotheksbestand untersucht. Darüber hinaus wird ein Schwerpunkt auf der Region Franken liegen, um die kommunalen und regionalen Charakteristiken des Entzugs darstellen zu können. Franken besaß vor der NS-Zeit die bedeutendsten jüdischen Gemeinden in Bayern, in denen etwa zwei Drittel der bayerischen Juden lebten.  Des Weiteren stehen nicht die Meisterwerke der bildenden Kunst im Vordergrund, sondern Kunsthandwerk, persönliche Wertgegenstände oder einfacher Hausrat. Diese Gegenstände waren wegen ihres regionalen Charakters interessant für kleinere und lokal ausgerichtete Museen.

Als Quellengrundlage werden vor allem die Würzburger Gestapo-Personenakten tiefenerschlossen. Mit etwa sechsundzwanzigtausend Einzelfallakten handelt es sich dabei um den zweitgrößten erhaltenen Bestand Deutschlands.  Knapp ein Viertel des Bestandes enthält wichtige Informationen zu der Enteignung fränkischer, zumeist rassisch Verfolgter und der Verwertung ihres Besitzes. Gemeinsam mit dem Staatsarchiv Würzburg konnten etwa 5000 Akten (Schätzwert), die unter genannten Gesichtspunkten herangezogen werden können, eruiert werden. Die restlichen ca. 19.000 Akten enthalten Informationen zu u.a. Fremdarbeitern und sind für die Untersuchungen der Landesstelle nicht von Relevanz.

In den Personenakten ist der schrittweise Entzug von Kulturgütern dokumentiert: von den Protokollen bei Wohnungsdurchsuchungen bis hin zu Beschlagnahmelisten und Versteigerungsprotokollen mit Namen der Käufer und Zuschlagspreisen. Museen konnten sowohl bei Beschlagnahmungen wie auch bei den öffentlichen Auktionen in Erscheinung treten und sich an jüdischem Eigentum bereichern. Dem systematischen Raub fiel nicht nur die jüdische Oberschicht zum Opfer, sondern grundsätzlich jeder, der über ein paar Wertgegenstände verfügte. Die Wiedergutmachungsakten der Staatsarchive und personenbezogene Daten aus städtischen Archiven werden als Komplementärdarstellungen herangezogen.

Das Zweitprojekt nähert sich verdächtigen Objekten somit von zwei Seiten her: In einem ersten Schritt befragt es die Archivunterlagen nach ihrer Provenienz, ihrem Schicksal und Verbleib. Festzustellen ist, ob Objekte beschlagnahmt und an Museen gegeben worden sind. Darüber hinaus können Museumsmitarbeiter auf Auktionen Stücke mit belasteter Provenienz ersteigert haben. Auch Händler und Sammler reagierten auf Objektwünsche von Museen und boten ihnen entsprechende Werke an. Durch Quittungen und andere Korrespondenzen in den Gestapoakten werden die Geschäftsbeziehungen lokaler Anbieter zu den städtischen Museen nachvollziehbar. Verdachtsmomente lassen sich deshalb weniger primär aus den Sammlungen der Museen feststellen, sondern aus den Archivunterlagen.

In einem zweiten Schritt soll überprüft werden, ob diese verdächtigen Objekte sich immer noch in den nichtstaatlichen Museen Frankens befinden. Dafür werden die hauseigenen Ankaufsbücher, Inventare, Korrespondenzen, Rechnungen etc. befragt. Der Entzug von Kulturgut, der durch die Personenakten der Gestapo deutlich wird ist ausgesprochen vielschichtig. Kleine Heimatmuseen haben jüdische Kultgegenstände von den bayerischen Staatsarchiven übernommen, größere Häuser haben sich aufgrund von personellen Strukturen Originalwerke beschaffen und alle haben auf Auktionen mitbieten können.